Die Website der Bundespolizei Österreich zeigt zwei Usability-Phänomene Probleme, die wir als Webdesign Agentur Wien und Corporate Design Agentur speziell bei großen Unternehmen oder Organisationen häufig vorkommen: Die Abbildung der internen Oranisationsstruktur nach außen und eine im Vordergrund stehende Selbstdarstellung, anstatt Konzentration auf die Interessen der User.
Auf Fragen des Screen-Designs möchte ich gar nicht eingehen, es soll hier wirklich rein um Usability, also Benutzbarkeit gehen. Doch das etwas angestaubte Äußere der Website lässt schon vermuten: Hier gibt es einen nicht ganz so zeitgemäßen Umgang mit dem Internet.
Aber schaunen wir uns das einmal anhand eines Usability-Beispiels an. Ich wollte heute wissen, wo die nächste Polizei-Station ist. Egal, ob man gerade zu Hause ist oder unterwegs: Das kommt vor, wenn man eine Anzeige machen will, im Notfall, wann auch immer. Für mich bisher eigentlich der einzige Grund, die Polizei-Website anzusteuern.
Eine Polizei-Station finden
Ich komme also auf die Startseite und schaue mich erst mal nach einem großen, auffälligen „Inspektion in Ihrer Nähe“, „Polizei-Stations-Finder“ oder etwas ähnlichem um.Vielleicht ein Eingabefeld für eine Adresse oder Postleitzahl? Gibt es nicht. Okay, dann vielleicht eine Karte zum Draufklicken? Die gibt es!
Wer draufklickt merkt, dass sich nichts tut. Mehr findet man nicht heraus (Spoiler: irgendwann merkt man, dass diese Karte nur anzeigt, auf welcher Landespolizeikommando-Unterseite man sich gerade befindet … man kann aber nicht Bundesland wechseln und auf der Startseite ist natürlich noch kein Bundesland markiert, was es auch nicht verständlicher macht. Fehlende Beschriftung steigert die Usability auch nicht gerade).
Gut, das war also nichts.
Also schau ich mir den Content der Startseite an. Da soll ich mich für eines der neun Landespolizeikommandos entscheiden. Ich weiß zwar nicht, was das bringt, weil ich als Bürger ja einfach nur wissen will, „wo die nächste Polizei ist“, aber gut: ein Landespolizeikommando ist für mich zuständig.
Das zeigt, dass man sich nicht in den User hineinversetzt hat (Welches Vorwissen hat er? In welcher Situation könnte er gerade sein? Was ist für ihn relevante Info, was nicht?), sondern ihm einfach die interne Organisation als Navigationsprinzip aufzwingt.
Ein Schritt weiter
Neben sehr prominent dargestellten Presseaussendungen über versuchten Mopeddiebstahl etc. suche ich nach einem Menüpunkt, der mir helfen könnte. Dem kommt „Polizeiinspektionen/Dienststellen/BPD/SID“ noch am nächsten.
Dass eine Polizeistation korrekt „Polizeiinspektion“ heißt, gut: das kann man sich noch denken. Aber wo ist der Unterschied zu einer „Dienststelle“ und was sind dann noch „BPD“ und „SID“? Und warum muss ich das wissen? Übrigens tut der Link, als wären die beiden Zeilen getrennte Links mit unterschiedlichem Ziel. Sind sie aber nicht.
Jetzt wirds wirklich lustig.
Ich muss mich nun entscheiden, unter welchem der folgenden Punkte ich glaube, die gewünschte Info zu finden:
Woher soll ich wissen, ob die näheste Polizeistation zu finden ist unter „Bundespolizeidirektion Wien“ (eher nicht), „Polizeikommissariate in Wien“ (ja!), „Stadtpolizeikommanden in Wien – Polizeiinspektionen“ (ja! hoppla – was jetzt?), „Landespolizeikommando Wien“ (naja?!) oder „Sicherheitsdirektion Wien“ (keine Ahnung, was das ist)? Zwischen den Polizeikommissariaten und den Polizeiinspektionen is es ein knappes Rennen (den Unterschied kennen wohl nur Insider), also mal auf beides geklickt. Auch das gibt keine Klarheit. Sind sehr ähnliche Einträge drin. Die selbe Adresse heißt jeweils anders und hat eine andere Telefonnummer. Keine Ahnung also. Egal, ich setzte auf die Polizeiinspektionen.
Probiers einfach aus.
Jetzt muss ich mich für die richtigen Bezirke entscheiden. Wobei manchmal die Bezirksnamen, manchmal die Bezirksnummern angeführt werden. Erstens weiß ich nicht, ob die Polizei-Station über der Bezirksgrenze nicht vielleicht doch näher wäre. Und zweitens tu ich mir auch nach 8 Jahren in Wien schwer, mir zu merken ob jetzt der 21. oder der 22. Bezirk Donaustadt ist. Für jemanden von außerhalb sind die Bezirksnamen also wohl eine Hürde. Wenn man sich dann (was solls!) für eine Gegend entschieden hat, bekommt man alle dort ansässigen Polizeiinspektionen aufgelistet. Allerdings wieder ohne Kartenfunktion oder Verlinkung zu Google Maps. Man muss die Adressen kennen und im Kopf haben: wo das ist, wie man hinkommt und obs in der Nähe ist.
Zum Drüberstreuen gibts dann noch sexy & gut memorierbare E-Mail-Adressen:
- lpk-w-pi-seitenhafenstr-agm@polizei.gv.at
- lpk-w-ase-pdhi-sued@polizei.gv.at oder
- lpk-w-pi-10-van-der-nuell-g@polizei.gv.at
Aus Usability-Sicht ideal wäre:
- Ein Polizeiinspektions-Finder auf der Website, der mittels Eingabe einer Adresse oder PLZ die nähesten Polizeiinspektionen sowie die Distanz dorthin anzeigt (in einer Liste und auf einer Karte). Möglichkeit, sich die Route per Auto, zu Fuß oder mit den Öffis berechnen zu lassen.
- Ganz groß an fixer Stelle auf jeder Seite die Polizei-Notrufnummer. Warum muss die in einem Unterpunkt versteckt sein?
- Eine Navigation ohne jegliche Abkürzungen und Akronyme, die nur Polizisten verständlich sind.
- Eine serviceorientierte und auf den User fokussierte Sprache, Navigation und Funktionen statt Selbstdarstellung ohne Einfühlungsvermögen.
- Eine Polizeiinspektions-Finder-App für Smartphones.